Image
23. September 2021
 / 

Florian Kern

 / 
 / 
Geldbrief

Berlin Calling – Unser Newsletter zur Bundestagswahl

7 min Lesezeit
[wp_dark_mode_switch style="3"]

Florian Kern

Wie oft kurz vor Wahlen der Fall, war die Politik in den letzten Tagen besonders kreativ in ihren Vorschlägen. Ein Lieblingsthema diesmal: Die Inflation. Christian Lindner sprach sich – kurz nachdem er sich für eine Klimapolitik ausgesprochen hatte, die vor allem auf steigende CO2-Preise setzt – dafür aus, dass jede staatlich bedingte Verteuerung des Alltags an anderer Stelle kompensiert werden müsse. Nach dem Motto: Wo es Inflation gibt, muss es auch Deflation geben! Auch die Union meldete sich in der Debatte zu Wort und forderte einen Inflationsschutzschirm in Form von automatisch mit der Inflation atmenden Steuerfreibeträgen und Markus Söder forderte die Europäischen Zentralbank zum Handeln auf. stellte jedoch auch fest, dass die Angst vor Inflation in Deutschland zurückgeht und da wir Angst (nicht Wachsamkeit!) auch für übertrieben halten, begrüßen wir diese Entwicklung.

Ein nuancierterer Zugang findet sich in den soeben veröffentlichten Papieren der Europäischen Zentralbank, die in die kritische Betrachtung ihrer geldpolitischen Strategie miteingeflossen sind. Von besonderem Interesse für uns, auch im Hinblick auf die Bundestagswahl, ist das Papier zum Verhältnis zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik. Koordination zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik steht mancherorts unter Generalverdacht. Aus unserer Sicht zu Unrecht: “Unabhängig zu sein bedeutet nicht, unorganisiert zu sein. Die Tatsache, dass die Zentralbank unabhängig ein Inflationsziel verfolgt, bedeutet nicht, dass Geldpolitik und sonstige Wirtschaftspolitik, auch die Fiskalpolitik, unkorreliert wären.” Das erklärte Bank of England Präsident Bailey in einer Rede im Februar 2021. Vor diesem Hintergrund ist es auch für die EZB sinnvoll, das wirtschaftspolitische Umfeld um sie herum zu analysieren und abzuschätzen, welcher Effekt auf Preisstabilität von wirtschaftspolitischen Entscheidungen ausgeht.

Dieser Maxime folgend gewährt die EZB durchaus spannende Einblicke. Drei davon möchten wir hier gerne vorstellen:

A) Wenn die Zinsen bei null liegen, wirken zusätzliche öffentliche Ausgaben deutlich positiver auf das Wirtschaftswachstum als bei. Das hat folgenden Grund: In einer voll ausgelasteten Wirtschaft, in der die Zentralbank die Zinsen nicht auf null senken muss, führen zusätzliche Ausgaben vom Staat dazu, dass die Preise steigen. Um dem entgegenzuwirken, zieht die Zentralbank die Zinsen an. Das verteuert private Investitionen und bremst die Wirtschaft.

In einem Nullzinsumfeld sieht es anders aus: Steigert der Staat in einer unterausgelasteten Wirtschaft, die die Zentralbank versucht mit niedrigen Zinsen anzukurbeln, öffentliche Investitionen, beginnen zwar die Preise zu steigen. Die Zentralbank erhöht die Zinsen aber erstmal nicht, da sie ihr Inflationsziel noch nicht erreicht hat. Das führt zu fallenden Realzinsen (Zinsen minus Inflation). Die Finanzierungskosten für private Investitionen fallen, letztere werden attraktiver.[1]

B) Antizyklische Fiskalpolitik -also eine, die im Abschwung mit einem Defizit gegensteuert und im Aufschwung spart- ist umso effizienter, je stärker sie die Einkommen derer erhöht, die eine höhere Konsumquote haben.[2]

C) Der geldpolitische Spielraum, der Zentralbanken zur Verfügung steht, würde bei dauerhaft höherer staatlicher Verschuldung steigen.[3]

2. Am kommenden Sonntag ist Bundestagswahl. Die kommende Bundesregierung steht vor der Herausforderung, einen grundgesetzkonformen Haushalt vorzulegen, die für die Dekarboniserung benötigten öffentlichen Ausgaben zu stemmen und den durch die Pandemie stark angewachsenen Ausgabenrahmen wachstumsfreundlich zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund verweisen wir auf vier unserer policy paper, die Antworten auf diese Fragen liefern.

  • In einem am Dienstag veröffentlichten Paper widmen wir uns dem Markt für Bundeswertpapiere. Dabei erklären wir welche Arten von Bundeswertpapieren existieren, wer diese hält, und warum die Renditen deutscher Staatsanleihen paradoxerweise unterhalb der risikofreien Zinsen im Euroraum liegen. Schließlich geben wir einen Überblick über die Determinanten öffentlicher Refinanzierungskosten und beschreiben die Renditeentwicklung verschiedener europäischer Staatsanleihen in den letzten Jahren.
  • In einem im August veröffentlichten Paper stellen wir die sogenannte „Konjunkturkomponente“ der Schuldenbremse Die Konjunkturkomponente ist ein Teil der Schuldenbremse und soll der öffentlichen Hand ermöglichen, etwas mehr auszugeben, wenn die Wirtschaft langsamer wächst, als sie das potentiell langfristig könnte. Wir erklären, welche Probleme es mit der Konjunkturkomponente heute gibt und wie man sie reformieren könnte. Reformiert würde die einfachgesetzlich änderbare Konjunkturkomponente im nächsten Jahr ein deutlich größeres Defizit erlauben: circa 30 bis 38 Mrd. Euro mehr als in ihrer jetzigen Ausgestaltung. Für eine kürzere Version des Argumentes, siehe diese Veröffentlichung im Wirtschaftsdienst. Für besonders Eilige ist dieser FAZ Beitrag zu empfehlen, der das Wichtigste in 700 Wörtern zusammenfasst.
  • Aber wie stark kann unsere Volkswirtschaft eigentlich potentiell wachsen und wann ist sie ausgelastet? Darauf gehen wir unter anderem in unserem Kernpapier „Eine neue deutsche Finanzpolitik“ ein. Darin plädieren wir dafür, die Zielsetzung der Finanzpolitik auf eine Vollauslastung des Arbeitsmarktes anzupassen und so die Anzahl an Menschen zu reduzieren, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind.
  • Und was kostet uns nun eigentlich der Klimaschutz? Ist das überhaupt bezahlbar? In unserem Papier zu öffentlichen Klimaausgaben schätzen wir, dass ca. 47 Mrd. EUR an öffentlichen Mitteln pro Jahr für die für die Dekarbonisierung benötigt werden. Das meiste Geld fließt in die Abschaffung der EEG-Umlage (ein Zuschlag auf den Strompreis, mit dem der Ausbau der Erneuerbaren Energien finanziert wird) und die Förderung von E-Mobilität und Gebäudesanierungen.

 Und schließlich noch an alle, die das noch nicht getan haben, ein herzlicher Aufruf: Geht Wählen, Hauptsache demokratisch :).


Fußnoten

[1] ECB Occasional Paper Series No 273, S. 7f.

[2] ECB Occasional Paper Series No 273, S.8.

[3] ECB Occasional Paper Series No 273, S.9.

 

Der Dezernats- und der Geldbrief sind unsere Newsletter zu aktuellen ökonomischen Fragen in Deutschland und Europa. Über Feedback und Anregungen freuen wir uns und erbitten deren Zusendung an florian.kern[at]dezernatzukunft.org


Veranstaltungen und Medienberichte vom 23.09 bis 8.10.2021

Bevorstehende Veranstaltungen

  • Am 24.9 hält Philippa bei einem Jungenunternehmerevent am Rindermarkt in München einen kurzen Vortrag über was sie bewegt hat, in die Politik einzusteigen
  • Die BBC interviewt Philippa live am 26.9 im Rahmen ihres Berichts zur
    Deutschen Wahl zwischen 20:00 und 20:30. Es werden Fragen zu den
    Wahlergebnissen und Schwierigkeiten, mit denen die neue Regierung sich
    beschäftigen muss, gestellt.
  • Am 8. und 9.10. halten Philippa und Florian Schuster einen Vortrag zur Konjunkturkomponente beim Workshop der Herausgeber des Jahrbuchs für öffentliche Finanzen in Leipzig. Das dazugehörige Paper erscheint im Jahrbuch 2021-2.
  • Am 6.10 nimmt Philippa im Rahmen eines Event von der Britischen Botschaft und dem Deutschen Institute für Wirtschaftsforschung zum Thema „Sustainable Finance“ an einem Panel zu „How green are Financial Markets and where do we go from here?“ teil. Man kann sich hier dafür registrieren
  • Am 7.10 nimmt Philippa im Rahmen einer Veranstaltung des Forum ökologisch-Soziale Markwirtschaft an einem Panel zum Thema „Zukunft der Mobiliät“ teil. Es wird mit Prof. Stephan Rammler und Prof. Uwe Scheidewind diskutiert.

Hat dir der Artikel gefallen?

Show some love mit einer Spende
oder folge uns auf Twitter

Teile unsere Inhalte

Ähnliche Artikel aus unserem Archiv