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4. February 2022
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Dezernat Zukunft

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Papers

Jahresabschlussbericht unseres Fiskalprojekts

3 min Lesezeit

DZ Team

Vor einem Jahr haben wir unser Projekt zu Fiskalpolitik begonnen. Was am Anfang noch ein Berg unsortierter Notizzettel und eine gute Portion Enthusiasmus war, ist im Laufe des Jahres 2021 zu acht Papieren, drei Erklärtexten und einer größeren Anzahl begleitender Veröffentlichungen in Form von Newslettern und Medienbeiträgen herangewachsen. Diese finden sich zusammengefasst in diesem Jahresabschlussbericht, der zugleich das Ende unseres Fiskalprojekts und den Anfang von sehr viel Neuem markiert.

Ausgangspunkt war die Frage: „Wie sieht eigentlich eine gute Finanzpolitik aus“? Eine gute Finanzpolitik definieren wir als solche, die sowohl im Einklang mit gesellschaftlich Zielen steht und hilft, diese zu realisieren, als auch nachhaltig ist, also gesellschaftlichen Wohlstand erhält und die für ihn notwendige natürliche Grundlage. Das bedeutet auch: eine gute, zielorientierte Finanzpolitik ist immer kontextabhängig, denn diese Ziele, die gesellschaftlichen Herausforderungen und das wirtschaftliche Umfeld ändern sich mit der Zeit.

Zunächst untersuchten wir den wirtschaftlichen Kontext heutiger Finanzpolitik, der vor allem von niedrigen Zinsen geprägt ist. Was das für Staatsverschuldung und die Geldpolitik der Zentralbank bedeutet, haben wir in den zwei Veröffentlichungen zu Bundeswertpapieren und dem Gegenwartswert von Schulden erläutert. Unsere Schlussfolgerung: die geldpolitischen Instrumente wirken stabilisierend, werden aber überstrapaziert; es liegt jetzt in erster Linie an der Fiskalpolitik, die Wirtschaft zu befeuern, indem über schuldenfinanzierte Ausgaben Nachfrage geschaffen wird.

Aufbauend auf dieser Kontextanalyse argumentieren wir im theoretischen Kernpapier des Projekts, dass es Zeit ist für eine neue deutsche Finanzpolitik (englische Übersetzung hier), die gewappnet ist für die größten gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit wie dem Klimawandel, dem demografischen Wandel und der Bewahrung einer friedlichen und regelbasierten internationalen Ordnung. Dabei kommen wir zu dem Schluss, dass sich gute, nachhaltige Finanzpolitik an einer langfristig positiven Wirtschaftsentwicklung, einer Vollauslastung des Arbeitsmarkts und der Vermeidung des Klimawandels sowie anderen Notlagen bemisst; damit werden nicht nur gesellschaftliche Ziele erreicht, es wird auch die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen gesichert. Denn schuldenfinanzierte, staatliche Investitionen in die Dekarbonisierung und in einen auf Vollauslastung gerichteten Arbeitsmarkt können über eine niedrige Arbeitslosenquote, gute Löhne und langfristig höhere Produktivitätszuwächse für höhere Steuereinnahmen und niedrigere Sozialausgaben sorgen – und damit für langfristig tragfähige Staatsfinanzen.

Dieser Finanzpolitik steht derzeit allerdings die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse entgegen. In dem Papier „Warum die Konjunkturkomponente ihren Zweck nicht mehr erfüllt – Analyse und Reformvorschlag“ beschreiben wir, wieso die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse unter heutigen Umständen nicht für nachhaltige Staatsfinanzen sorgt und machen einen Reformvorschlag. Er würde kurzfristig (2022) ein deutlich höheres Defizit von 30 bis 38 Milliarden Euro mehr ermöglichen (Berechnungen Stand Sommer 2021). In einem von uns in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten kamen Prof. Dr. Stefan Korioth und Dr. Michael Müller zu dem Schluss, dass die heutige Ausgestaltung der Konjunkturkomponente mindestens problematisch und unser Vorschlag mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Finanzielle Spielräume per se garantieren aber noch keinen Fortschritt in Richtung der gesetzten Ziele. Dazu benötigt es einer präziseren Analyse der Bedarfe, der Finanzierungsmechanismen und staatlicher Kapazitäten. Hierzu haben wir Papiere zu sektoralen Ausgabebedarfen für die Dekarbonisierung und zu kommunalen Investitionsprogrammen veröffentlicht.

Wir freuen uns sehr, dass sich unsere Arbeit sowohl in den Medien als auch in den neuen Koalitionsverträgen der Bundesregierung und Berliner Landesregierung Niederschlag gefunden hat und wünschen viel Spaß bei der Lektüre. Für alle die, die nochmal den ein oder anderen Begriff nachschlagen wollen, sind auch die relevanten Erklärtexte im Bericht verlinkt.

Wir bedanken uns bei Open Philanthropy, der European Climate Foundation, der New Economics Foundation, der Franziska-und-Otto-Bennemann-Stiftung, dem Institute for New Economic Thinking und dem Forum New Economy, ohne deren finanzielle Unterstützung dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.


Im Rahmen unseres Fiskalprojekts entwickeln wir Konzepte für eine zielorientierte, neue Fiskalpolitik. Unser Kernvorschlag ist eine einfachgesetzliche Reform der Schuldenbremse, die nachhaltige Investitionen ermöglicht und die Vollauslastung der Wirtschaft anstrebt. Die Papiere des Fiskalprojekts sind hier zusammengetragen. Um über unsere weiteren Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu bleiben, abonniert gerne unseren Newsletter.

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