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5. May 2020
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Dezernat Zukunft

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Kommentar zum PSPP-Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 5.5.2020

5 min Lesezeit

DEZERNAT ZUKUNFT

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einem überraschenden Urteil das Ankaufprogramm für Staatsanleihen (PSPP) des Eurosystems für teilweise verfassungswidrig erklärt. In seiner Urteilsbegründung verlangt das BVerfG, dass der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nachvollziehbar darlegt, dass die mit dem PSPP angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen. Falls der EZB-Rat dies unterlasse oder die Begründung nicht hinreichend sein sollte, wäre es der Deutschen Bundesbank verboten, weiterhin am PSPP teilzunehmen. Zusätzlich müsste sie die bereits im Rahmen des Programms angekauften Bestände an Bundesanleihen mittelfristig wieder verkaufen.

Die Entscheidung ist historisch einmalig, da sich das BVerfG als nationales Verfassungsgericht damit in einer europarechtlichen Fragestellung über die Rechtsprechung des EuGH hinwegsetzt, welcher das PSPP bereits im Dezember 2018 für vertragskonform erklärte. Die verfassungsrechtlichen Implikationen dieses Tabubruchs werden an anderer Stelle untersucht, hier werfen wir einen kurzen Blick auf etwaige Konsequenzen für Geldpolitik und die Märkte.

Zunächst ist denkbar, dass der EZB-Rat nun in den nächsten drei Monaten eine Begründung für das PSPP vorlegt, die das BVerfG überzeugt. Damit wäre dem Urteil fürs erste Genüge getan: Denn das BVerfG erklärt in seiner Urteilsbegründung, die EZB hätte die wirtschaftspolitischen Auswirkungen des PSPP „gewichten, mit den prognostizierten Vorteilen für die Erreichung des von ihr definierten währungspolitischen Ziels in Beziehung setzen und nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten abwägen müssen.“ Eine solche Abwägung nach der Ansicht des BVerfG ist „weder zu Beginn des Programms noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt”. Sollte die EZB nun eine das BVerfG zufrieden stellende Begründung nachliefern, so könnte die Bundesbank weiterhin am PSPP teilnehmen, und es gäbe keinen dringenden Anlass für deutliche, kurzfristige Marktreaktionen.

Bemerkenswert ist jedoch ein weiteres Element des Urteils. Einer der Anklagepunkte war, dass das PSPP gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoße. Einen solchen Verstoß konnte das BVerG nicht feststellen. Das Urteil sagt klar: das PSPP stelle keine monetäre Staatsfinanzierung da. Doch die Argumentation hinter dieser Feststellung ist signifikant. Das Gericht argumentiert, dass das PSPP „vor allem deswegen“ keine monetäre Staatsfinanzierung darstellt—also deswegen vertragskonform sei—da es durch eine Reihe bestimmter Bedingungen eingegrenzt ist.[1]

Die entscheidende Neuerung beim PEPP jedoch war, wie Jens van ‘t Klooster vor kurzem argumentierte, dass die EZB genau diese (bisher selbst auferlegten) Beschränkungen in Frage stellt: „Sollten einige selbst auferlegte Beschränkungen die EZB möglicherweise daran hindern, so zu handeln, wie es zur Erfüllung ihres Mandats erforderlich ist, so wird der EZB-Rat außerdem die Überarbeitung dieser Beschränkungen in Erwägung ziehen, soweit es notwendig ist, damit sein Handeln in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken steht, mit denen wir konfrontiert sind,” so hieß es in der Erklärung der EZB vom 19. März. Wenn das BVerG nun die Rechtmäßigkeit von EZB Asset Purchase Programmen im Allgemeinen an einen klaren Auflagenkatalog koppelt, so würde dies einen gewissen Schatten über das PEPP werfen.

Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch unklar, ob die Argumentation des PSPP Urteils in diesem Punkt auf das PEPP anzuwenden ist. Denn der Kernpunkt des PSPP Urteils ist die Forderung nach einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Ergreifung von nicht explizit im Mandat gedeckten Instrumenten. Da es sich beim PEPP um ein Notfallprogramm handelt, ist zu erwarten, dass eine Güterabwägung hier durchaus anders ausfallen könnte als beim PSPP. Es könnte also gut sein, dass daher ein geringerer oder ganz anderer Auflagenkatalog notwendig ist, damit PEPP als konform mit dem Verbot monetärer Staatsfinanzierung angesehen werden kann.

Betrachten wir zum Abschluss, was zu erwarten ist falls die EZB sich weigert, dem BVerG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzulegen. Dann gilt: nach Ablauf der 3-Monatsfrist wäre der Bundesbank verboten, im Rahmen vom PSPP weiterhin Anleihen zu kaufen. Doch dies beträfe eben nur die Anleihekäufe der Bundesbank, und nicht die des Eurosystems als Ganzes. Das PSPP wird aber dezentral umgesetzt, Staatsanleihekäufe werden dabei von den jeweils heimischen Notenbanken umgesetzt. Da z. B. das italienische Verfassungsgericht bislang die besondere Rechtsauffassung des BVerfG nicht teilt, ist nicht davon auszugehen, dass Anleihekäufe italienischer Staatsanleihen von den Entscheidungen des BVerfG betroffen sind. Wenn wir die politischen Effekte des Urteils ausblenden—welche allerdings einen gewichtigen Teil des Urteils darstellen—so geht also keine direkte Gefahr für Staatsanleihen im Rest der Eurozone aus. Im Gegenteil: allenfalls könnten Bundesanleihen negativ betroffen werden, die dann nicht mehr im Rahmen des PSPP von der Bundesbank gekauft werden dürften und deren Zinsen daher steigen könnten. Da jedoch Bundesanleihenkäufe im Rahmen anderer Programme und Ermächtigungen weiterhin möglich wären, wäre auch dieser Effekt wahrscheinlich gering.


[1] Monetäre Staatsfinanzierung ist „deshalb nicht feststellbar, weil ungeachtet der von der EZB bekannt gegebenen Informationen (vgl. Rn. 186 f., 200) eine Konkretisierung der Angaben im Hinblick auf die einzelne ISIN nicht erfolgt das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist, die vom Eurosystem getätigten Käufe nur in aggregierter Form bekannt gegeben werden, eine Obergrenze von 33 % eingehalten wird, Ankäufe nach dem Kapitalschlüssel der nationalen Zentralbanken getätigt werden, im Rahmen des PSPP nur Anleihen von Körperschaften erworben werden, die aufgrund eines Mindestratings Zugang zum Anleihemarkt besitzen und Ankäufe begrenzt oder eingestellt und erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden müssen, wenn eine Fortsetzung der Intervention zur Erreichung des Inflationsziels nicht mehr erforderlich ist.”

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