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8. November 2021
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Prof. Dr. Stefan Korioth

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Rechtsgutachten zur Konjunkturkomponente

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Prof. Dr. Stefan Korioth, Dr. Michael W. Müller

Das Dezernat Zukunft hat einen Vorschlag zur Anpassung der Konjunkturkomponente der Schuldenbremse gemacht (Schuster et al. 2021). Für alle mit weniger Zeit findet sich hier ein FAQ zu den wichtigsten Fakten. Der Vorschlag wurde von Professor Stefan Korioth und Dr. Michael Müller auf seine Verfassungsmäßigkeit und rechtliche Umsetzbarkeit begutachtet.

Die Konjunkturkomponente erhöht bzw. reduziert die Verschuldungsspielräume des Bundes im Rahmen der Schuldenbremse in einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung. Schuster et al. schlagen vor, anstatt bestimmte Inputwerte zur Berechnung der Konjunkturkomponente statistisch fortzuschreiben, diese explizit in Kohärenz mit politischen Zielen und Maßnahmen zu setzen. Insbesondere wird vorgeschlagen, sich bei der Berechnung des potenziellen Arbeitseinsatzes (1) am Ziel der Vollbeschäftigung zu orientieren, (2) eine gesteigerte weibliche Partizipationsrate anzunehmen und (3) die Arbeitszeitwünsche derer zu berücksichtigen, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten.

Das Gutachten stellt dar, dass die verfassungsrechtliche Konzeption der Schuldenbremse Spielräume für die Ausgestaltung der Konjunkturkomponente eröffnet. Diese betreffen insbesondere die Festlegung der „Normallage“, zu deren Bestimmung hypothetische, aber nicht unrealistische Annahmen getroffen werden müssten. Aus der Normallage dürfe nicht im Rahmen der Ausgestaltung oder Anwendung der Konjunkturkomponente eine „Ideallage“ gemacht werden. Zudem seien auch die Verschuldungsspielräume limitiert. Überschreitet das Defizit 1,5% des BIPs müsse es konjunkturgerecht zurückgeführt werden. Die derzeitigen Regelungen auf Gesetzes- und Verordnungsebene träfen keine Bestimmungen über die Inputfaktoren und die diesen zugrundeliegenden Annahmen. „Die Zusammenschau der Vorschriften zeigt, dass die in das Konjunkturbereinigungsverfahren einzustellenden Annahmen über die ‚normal ausgelasteten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapitalstock‘ letztlich keine formell- und materiell-gesetzliche Festlegung erfahren“.

Auf dieser Grundlage stellt das Gutachten fest, dass sich der Vorschlag von Schuster et al. innerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens bewegt. Insbesondere stimmten die dem Vorschlag zugrundeliegenden Annahmen mit den Wertungen des Grundgesetzes überein. Weil die Ausgestaltung der Inputfaktoren bislang auf Anwendungsebene erfolge, wäre der Vorschlag innerhalb des bisherigen Systems grundsätzlich auch ohne rechtliche Anpassung umsetzbar.

Allerdings äußern die Gutachter Zweifel an der Vereinbarkeit der bisherigen gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Ausgestaltung mit dem verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt. Angesichts der “erheblichen Auswirkungen, die unterschiedliche Annahmen“ haben können, auch für das Ausmaß der zulässigen oder unzulässigen Verschuldung, handle es sich bei der Festlegung dieser Annahmen um eine wesentliche Entscheidung. „Es ist deshalb Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers, die Faktoren und die hinsichtlich dieser zu treffenden Annahmen festzulegen.“ Daher wäre ihrer Ansicht nach eine rechtliche Umsetzung des Vorschlags von Schuster et al. auf einfachgesetzlicher Ebene vorzuziehen. Ferner sollte nach Auffassung der Gutachter eine Klarstellung auf Gesetzes-, zumindest auf Verordnungsebene erfolgen, falls mit dem Vorschlag eine Abweichung von dem im Rahmen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts angewandten Verfahren verbunden sein sollte.

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