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7. April 2018
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Warum retten wir Banken?

7 min Lesezeit

DEZERNAT ZUKUNFT

Warum retten wir Banken? Die Frage könnte auch lauten: warum regulieren wir Banken anders als die Anderen? Die Antwort darauf geht auf die Erkenntnis zurück, dass Banken etwas Spezielles sind. Sie genießen ein Privileg, das sonst kein privater Akteur besitzt. Sie dürfen Geld erschaffen. Der Staat hat diese hoheitliche Aufgabe zu großen Teilen auf Banken ausgelagert. Was das heißt und warum wir deshalb Banken retten—und andere Unternehmen nicht—dazu jetzt mehr.

Ein Punkt vorab: das Folgende soll nicht als eine Verteidigung von Bankenrettungen missverstanden werden (gerade da es bei der Abwicklungsfähigkeit trotz Fortschritte noch viel zu tun gibt). Hier wird erklärt, warum es bei Banken in Schieflage besondere Umstände gibt, die das Thema Insolvenz komplizierter machen, als bei anderen Wirtschaftsakteuren.

Die großen Themen, die bei Bankenrettungen typischerweise diskutiert werden, sind „too-big-to-fail“ und „too-interconnected-to-fail“. Bei diesen Themen geht es darum festzustellen, ob eine Bank zu groß oder zu stark mit anderen Banken verbunden ist, als dass man sie pleitegehen lassen könnte. Doch dahinter liegt eine tiefergreifende Frage: Warum kann man eine „zu große“ Bank nicht einfach Pleite gehen lassen? Einen großen Löffelhersteller würde man im Normalfall in die Insolvenz rutschen lassen; mindestens würde man bei der Diskussion um die Rettung andere Fragen stellen, so etwa, ob dadurch zu viele Jobs verloren gehen. Bei Banken hingegen gibt es einen weiteren Grund, der mit der Rolle von Banken im Wirtschaftskreislauf, mit den grundsätzlichen Themen Geld und Kredit zu tun hat. Dafür lohnt es sich,  grundsätzlicher zu betrachten, wie Banken mit Geld zusammenhängen.

Banken und Geldschöpfung

Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was Geld eigentlich ist: Geld ist eine verstaatlichte Form von Schuldscheinen und damit fast das gleiche wie Kredit. Banken besitzen das Privileg, diese staatlichen Schuldscheine zu erschaffen.

Beispielhaft lässt sich das an einem extrem stilisierten Wirtschaftssystem erklären, in dem es zunächst nur zwei Akteure gibt, aber weder Banken noch Geld. In unserem beispielhaften Wirtschaftssystem gibt es die Akteure Produzent (A) und Verleiher (B). Produzent möchte produzieren und dafür braucht er eine Ware von Verleiher, zum Beispiel eine Maschine. Verleiher gibt Produzent also die Ware und erhält dafür einen Schuldschein von Produzent. Auf dem Schuldschein steht, dass Produzent in der Zukunft etwas an Verleiher zurückgibt, das etwas mehr wert ist, als die Maschine, die er erhalten hat.

Das heißt, dass Verleiher unserem Produzenten die Ware nur gibt, wenn er denkt, dass Produzent die Ware so nutzt, dass dabei etwas von größerem Wert entsteht. Er muss sich also eine Meinung darüber bilden, ob Produzent die Ware sinnvoll nutzen kann oder ggf. andere Dinge hat, mit denen er in der Zukunft zurückzahlen kann.

Wie sieht das gleiche Beispiel im System mit einer Bank und mit Geld aus? Wie auch bisher gibt Verleiher Produzent die Ware, er erhält dafür aber keinen Schuldschein von Produzent, sondern er erhält Geld. Das Geld kann er bereits heute nutzen, um sich davon selbst etwas anderes zu kaufen. (Kurzexkurs: Hieran wird bereits deutlich, dass Geld letztlich auch nur eine Art Schuldschein ist, mit dem großen Vorteil, dass man Geld direkt weiternutzen kann. Aber zurück zum Beispiel.) Wo hat Produzent das Geld her? Er holt es sich von der Bank im Gegenzug für den Schuldschein, den er im System ohne Bank noch direkt an Verleiher gegeben hat.

 

An diesem System sind zwei Dinge besonders:

  1. Die Aufgabe, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob Produzent die Ware sinnvoll nutzt, wird hier von der Bank wahrgenommen, nicht von Verleiher.
  2. Prinzipiell darf die Bank dieses Geld einfach erfinden. Hierfür gibt es in der Realität einige Beschränkungen, aber die können wir an dieser Stelle außer Acht lassen. Die Bank bucht Produzent das Geld einfach auf sein Konto. Die Bank hat sogenanntes Buchgeld geschöpft. (Wer die Entscheidung getroffen hat, das Erschaffen von Geld in Anlehnung an die göttliche Entstehungsgeschichte als „Schöpfung“ zu bezeichnen, ist dem Autor nicht bekannt.)

Rettet den Geldschöpfer

Die wichtige Message, die an dieser Stelle deutlich werden sollte, ist: Banken sind speziell. Banken sind die einzigen privaten Akteure, die Geld schöpfen dürfen. Zudem sollen Banken prüfen, wer kreditwürdig genug ist, um Geld zu erhalten. Banken sind also im Wirtschaftskreislauf die Institutionen, die Geld einspeisen, damit mehr produziert wird.

Unser Beispiel verdeutlicht auch, dass das existierende Geld im Prinzip das Gleiche ist, wie der Schuldschein im ersten Beispiel. Das Vertrauen in das Geld hängt fundamental damit zusammen, ob man glaubt, dass Produzent die Maschine sinnvoll nutzt. In anderen Worten: das Vertrauen in das Geld hängt damit zusammen, ob man glaubt, dass die Bank ihren Job bei der Kreditentscheidung gut gemacht hat.

Wenn nun in unserem kleinen beispielhaften Wirtschaftssystem eine Bankenpleite droht, heißt die Konsequenz: Das Instrument, um Geld in den Wirtschaftskreislauf einzuspeisen wäre weg und damit auch die Institution, die entscheidet, ob Produzenten kreditwürdig genug sind. Banken stehen damit nicht in einer Reihe mit anderen wirtschaftlichen Akteuren; sie sind Verteiler von Geld und Kredit und damit hängt an ihnen zu wesentlichem Teil die realwirtschaftliche Produktion. Das heißt, dass die Folgekosten für den Rest der Wirtschaft enorm hoch sein können.

Daher sind auch Bankenkrisen, die mit wirtschaftlichen Abschwüngen aufeinandertreffen, oft viel schmerzhafter als reine wirtschaftliche Abschwünge – es wird nicht nur weniger produziert, sondern die Verteilung und Allokation von Geld und Kredit wird gestört. Anstatt das in Kauf zu nehmen, kann der Staat entscheiden, die faulen Kredite zu übernehmen und der Bank die Chance geben, ihren Job weiterzumachen.

Rettet die zentralen Spieler

Wie sieht das Ganze nun in einer Welt mit vielen Banken aus? In einer Welt mit vielen Banken hängt die Frage, ob eine Bank gerettet wird, letztlich davon ab, wie zentral die Bank für die Integrität dieses Kreislaufs ist. Ist sie systemrelevant? Die Rettungsentscheidung ist mit großer Unsicherheit verbunden: Politiker und Aufsichtsbehörden müssen mit beschränkter Information bei sehr hohen potenziellen Kosten eine Entscheidung treffen.

An dieser Stelle kommen nun die bereits angesprochenen Konzepte ins Spiel, bei denen es um die Frage geht, ob die Pleite einer Bank zu große Konsequenzen für die Integrität des Wirtschaftskreislaufs hat. Bei der Frage „too-big-to-fail“ geht es um die Frage, ob eine Bank zu viele Geschäfte auf den Büchern hat und/oder zu viele Kunden hat und dadurch die gesamtwirtschaftliche Produktion zu stark beeinträchtigt würde. Bei der Frage „too-interconnected-to-fail“ geht es darum, ob die Bank zu viele Beziehungen zu anderen Banken und Finanzinstitutionen hat und dadurch andere in Mitleidenschaft gezogen werden würden.

Eine Vertrauensfrage

Unabhängig davon kann auch ganz prinzipiell das Vertrauen in das Banksystem als Ganzes gestört werden: selbst bei einer kleinen, sehr wenig vernetzten Bank kann man Angst vor einer Vertrauenskrise haben. Wenn die kleine Bank beispielsweise in die Insolvenz rutscht, weil sie Geschäfte getätigt hat, die auch andere Banken getätigt haben, dann können Leute das Vertrauen in andere Banken verlieren. Dann werden eventuell auch andere Leute auch zu ihrer Bank rennen und die Gelder abziehen. Die resultierende Illiquidität kann diese Bank in Gefahr bringen.

Die hier gelisteten Beweggründe sind nicht die Einzigen, die Bankenrettungen zugrunde liegen, allerdings sind es die Beweggründe, die die Diskussion um Bankenrettungen so speziell machen. Oftmals geht es bei Bankenrettungen auch um die Frage, ob die Bank genügend Kapital hat, damit die Verluste durch Eigenkapitalgeber getragen werden oder ob auch normale Kleinanleger betroffen sind. Dabei steht also die Frage, wer am stärksten betroffen ist, im Vordergrund. Diese Fragen sind relevant, allerdings sind sie konzeptionell nicht auf Banken beschränkt. Sie sind nur bei Banken häufiger relevant, da Kleinanleger ihre Gelder selten bei Löffelherstellern investieren, aber prinzipiell gelten sie für alle Akteure des Finanzsystems.

Im Kern ist das, was Banken speziell macht, ihre besondere Rolle im Wirtschaftskreislauf und ihr besonderes Privileg, Geld schöpfen.

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