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9. Juni 2018
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Mini-BOTs in Italien – Hintergrundbriefing

6 min Lesezeit

Dezernat Zukunft

Im Rahmen des italienischen Wahlkampfs diesen Frühling schlug die Lega vor, sogenannte Mini-BOTs (Buoni Ordinari del Tesoro) einzuführen. In diesem Artikel erklären wir, was mini-BOTs sind, was die Einführung einer Parallelwährung ökonomisch bedeuten würde, und welche rechtlichen Vorgaben in diesem Zusammenhang relevant sind.

Ökonomische Hintergründe

Mini-BOTs sind zinslose, auf Euro lautende Verbindlichkeiten ohne Fälligkeit, die für die Zahlung von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen und für Leistungen staatlicher Unternehmen eingelöst werden können. Man kann Mini-BOTs daher als eine Art Gutschein begreifen, der nur bei staatlichen Stellen eingelöst werden kann. Im Gegensatz zu einer eigenen Währung wäre bei diesen Gutscheinen also das Potential für Aufwertungen nicht vorhanden, da die Recheneinheit in Italien weiterhin der Euro bliebe.[1] Der Wert von Mini-BOTs auf dem Sekundärmarkt würde davon abhängen, wie viele Mini-BOTs begeben würden und wie hoch die Nachfrage nach den Leistungen ist, die man mit Mini-BOTs erwerben kann. Dieser Wert auf dem Sekundärmarkt könnte von seinem Nennwert nur nach unten hin abweichen.

Die Ausgabe von Mini-BOTs scheint also grundsätzlich—zumindest in einem gewissen Rahmen[2]—möglich. Was wären also die ökonomischen Auswirkungen? Zuerst gilt es, Seignorageeinnahmen, also die staatlichen Rendite aus der Zentralbankgeldausgabe, zu betrachten. Die europäischen Verträge legen fest, dass der Euro gesetzliches Zahlungsmittel[3] in den Ländern der Europäischen Union ist, in denen er schon eingeführt wurde. Neben anderen Motivationen zur Haltung von Währungen (etwa als Währungsreserve), schafft dieser Status als gesetzliches Zahlungsmittel Nachfrage nach Euros, was wiederum zu Seignorageeinnahmen führt. Diese entsprechen jedes Jahr in etwa der unterschiedlichen Verzinsung der Passiv- und Aktivseite der konsolidierten Bilanz des Eurosystems, und werden entsprechend das Kapitalschlüssels des Eurosystems unter den teilnehmenden Zentralbanken aufgeteilt. Italien erhält dabei gut 12 Prozent der Gesamtsumme, Deutschland knapp 18 Prozent, und Frankreich gut 14 Prozent.[4]

Durch die Ausgabe von Mini-BOTs, also Gutscheinen für entsprechende Zahlungen an staatliche Stellen in Italien, nähmen die wirtschaftlichen Transaktionen, die sinnvollerweise in Euro beglichen werden, ab. Aufgrund der Gutscheineigenschaft der Mini-BOTs ist es nicht sinnvoll, Leistungen, die auch in Mini-BOTs beglichen werden können, in Euro zu begleichen, da der Wert von Mini-BOTs nie höher als von Euros sein kann. Die Konkurrenz durch Mini-BOTs würde ceteris paribus also zu einer geringeren Geldnachfrage nach Euros führen, da für die Transaktionen, für die Mini-BOTs zugelassen wären, auch immer Mini-BOTs genutzt würden.[5] Die geringere Geldnachfrage nach Euros würde entsprechend die Seignorage des Eurosystems mindern, während die Ausgabe der Mini-BOTs zu einer Seignorage Italiens führen würde. Das Ausmaß dieser Umverteilung ist jedoch sehr schwer einzuschätzen.

Neben dieser Verteilungswirkung würde eine Ausgabe von Mini-BOTs auch der Regierung Liquidität bereitstellen, ohne dafür Anleihemärkte oder Banken zu benötigen. Da Italien momentan über Zugang zu den Anleihemärkten verfügt, ist diese Überlegung aktuell wohl nicht im Fokus der Überlegungen. In einer Situation, in der italienische Staatsanleihen jedoch nach einem Downgrade ihre Notenbankfähigkeit verlören und die Bank of Italy nur Mittels Waiver des Eurosystems begrenzt Liquidität schaffen könnte, wäre dieser Aspekt ebenfalls relevant.

Aus technischer Sicht würde die Einführung von Mini-BOTs auch einen möglichen Exit Italiens aus dem Euro erleichtern, da Zahlungssysteme und Bargeldbereitstellung geordnet passieren könnte, solange die EinlegerInnen nicht die Erwartung haben, dass eine zukünftige Umstellung auf Mini-BOTs ihr Vermögen entwertet. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern diese Vorbereitungen für einen möglichen Exit einen solchen Exit für EinlegerInnen und AnlegerInnen wahrscheinlicher wirken lassen.

Wenn zum Beispiel an Bahnhöfen über Nacht schwer bewaffnete PolizistInnen auftauchen, fühlen sich die meisten Menschen nicht sicherer—im Gegenteil, die verstärkte Polizeipräsenz würde als Zeichen dafür gewertet werden, dass eine angespannte Sicherheitslage vorherrscht. Gäbe es zusätzlich Lautsprecherdurchsagen die zu besonderer Vorsicht vor Bomben mahnen, wäre eine Panik sicher. Ähnlich stellt sich bei der Einführung von Mini-BOTs die Frage, ob EinlegerInnen und AnlegerInnen sich verunsichert fühlen würden. Es könnte zum Beispiel vermutet werden, dass Mini-BOTs einen Exit alleine deshalb wahrscheinlicher machen, dass sie ihn überhaupt technisch ermöglichen. Sollte das der Fall sein, wären ein Anstieg der Renditen auf italienische Staatsanleihen und ein Abzug von Einlagen aus Italien die Folgen. Insbesondere ein Abzug der Einlagen könnte nur so lange refinanziert werden, wie italienische Vermögenswerte als BBB- geratet werden oder das Eurosystem Notfallliquidität bereitstellt.

Sind Parallelwährungen prinzipiell möglich?

Kalifornien hat im Jahr 2009 Schulden vorrübergehend in sogenannten „IOUs“ beglichen, die Mini-BOTs ähnelten und die später in US Dollar zurückgezahlt wurden. Es erscheint also grundsätzlich möglich, dass Parallelwährungen toleriert und wieder zurückgeführt wurden. Auch das Eurosystem lässt gemäß Art. 14.4 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken nationalen Zentralbanken grundsätzlich die Möglichkeit, eigene Geschäfte zu verfolgen, solange diese nicht den Zielen des Eurosystems widersprechen. Das Agreement on Net Financial Assets (ANFA) konkretisiert weiterhin, in welchem Umfang nationale Zentralbanken Zentralbankgeld schaffen dürfen und damit letztlich auch eine Seignorage erzielen, die national anfällt.[6] Die Ausgabe von Mini-BOTs scheint daher nicht im Grundsatz problematisch, sondern würde nur dann problematisch, wenn die durch Mini-BOTs geschaffene Liquidität das Maß an Liquidität überschreiten würde, das gemäß Art 14.4 und ANFA noch mit den Zielen des Eurosystems vereinbar ist.

Zusätzliche juristische Voraussetzungen

Art. 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) legt fest, dass der Euro das einzige “gesetzliche Zahlungsmittel” in der Union ist. Der AEUV kennt jedoch keine Legaldefinition „gesetzlicher Zahlungsmittel“. Laut Bundesbank-Homepage ist das gesetzliche Zahlungsmittel „das Zahlungsmittel, das niemand zur Erfüllung einer Geldforderung ablehnen kann, ohne rechtliche Nachteile zu erleiden“. Auf italienische Mini-BOTs, die nur zur Rückzahlung für Verbindlichkeiten gegenüber der öffentlichen Hand genutzt werden können, würde dieses Kriterium nicht zutreffen. Eine abschließende Prüfung der EU-Rechts-Konformität von Mini-BOTs liegt bislang nicht vor, eine kursorische Analyse führt aber nicht zum Ergebnis, dass diese auf jeden Fall EU-rechtlich ausgeschlossen sind.


Fußnoten

[1] Ein Gutschein für ein Hotel, den man über einen Sekundärmarkt (z. B. Ebay) verkauft, wird niemals einen höheren Preis als seinen Nominalwert in Euros erzielen, gegebenfalls aber einen niedrigeren Preis. Bei Mini-BOTs wäre die Dynamik die Gleiche.

[2] Der Rahmen bemisst sich an zukünftigen Steuerzahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen und der Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen staatlicher Unternehmen.

[3] Das einzige Zahlungsmittel, das für alle Zahlungen in der Union ohne rechtliche Nachteile für den Zahlenden angenommen werden muss.

[4] https://www.ecb.europa.eu/ecb/orga/capital/html/index.de.html

[5] Entsprechend des Greshamschen Gesetzes verdrängt das schlechte Geld das gute.

[6] In der Gewinn- und Verlustrechnung der entsprechenden Nationalen Zentralbank (NZB).

Picture Credit: Dezernat Zukunft und LeftOverCurrency.com

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