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5. Juli 2018
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Wie entsteht Zentralbankgeld?

4 min Lesezeit

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Im Artikel „Wie viel Geld gibt es eigentlich?“ haben wir einen Überblick darüber gegeben, wie viel Geld es insgesamt im Euroraum gibt: zwischen acht und zwölf Billionen Euro, von denen circa drei Billionen Zentralbankgeld (Zentralbankreserven und Bargeld) sind, und circa fünf bis neun Billionen von Geschäftsbanken geschaffen sind. Aber wie wird Zentralbankgeld, also das Geld, das durch das Eurosystem (die EZB und die nationalen Zentralbanken) selber geschaffen wird, eigentlich geschaffen und bereitgestellt? [1]

Wie Zentralbankgeld in den Umlauf kommt

Das Eurosystem (die EZB und die nationalen Zentralbanken) verleiht Banken Zentralbankgeld durch sogenannte Offenmarktgeschäfte. Dabei ermittelt die Europäische Zentralbank zunächst, wie viel Zentralbankgeld die Finanzmarktteilnehmer benötigen. Bis zur Finanzkrise wurde dann entsprechend des ermittelten Liquiditätsbedarfs Zentralbankgeld zugeteilt. Banken konnten sich dann zum Leitzins der EZB, dem Zinssatz für die sogenannten Hauptrefinanzierungsgeschäfte, Geld beim Eurosystem leihen.

Nicht ohne Sicherheiten

Damit das Eurosystem keine Verluste erleidet, wenn eine Bank ausfällt, wird Geld jedoch nur gegen Sicherheiten bereitgestellt. Welche Sicherheiten zulässig sind ist in der Bibel der Zentralbanker, der sogenannten General Documentation (Gen Doc) des Eurosystems, festgelegt. Zu diesen Sicherheiten gehören Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, besicherte und unbesicherte Bankanleihen, Asset Backed Securities (ABS) sowie Kredite nicht-finanzieller Unternehmen. In der Gen Doc sind nicht nur die Sicherheitentypen genannt, sondern auch weitere Kriterien hinsichtlich der Bonität der Herausgebern der Wertpapiere.

Je nach Bonität gibt es Sicherheitsabschläge, d.h. man bekommt bei Einreichung des Wertpapiers nicht Zentralbankgeld im vollen Gegenwert. Die Bonität bemisst sich nach Laufzeit und dem Rating der vier zugelassenen Ratingagenturen (Standard and Poors, Moodys, Fitch und DBRS). Je schlechter ein Rating, desto weniger Zentralbankgeld gibt es im Tausch. [2]

Wenn keine der erwähnten Ratingagenturen ein Papier als „Investment-grade“ oder BBB- bezeichnet, darf das Papier nicht genutzt werden. Ist ein Papier zunächst im Investment-grade, wird dann aber heruntergestuft, verliert es seine Zentralbankfähigkeit und kann nicht weiter genutzt werden. Fallen also die Ratings auf breiter Front, kann das für die Zentralbank zu einem Problem werden, weil sie nicht mehr genügend Zentralbankgeld bereitstellen kann. In der Finanzkrise ist genau das passiert, woraufhin das Eurosystem seine einstige Mindestanforderung für Ratings von A- auf BBB- gesenkt hat. Um die höheren Risiken aufzufangen, wurden entsprechend hohe Sicherheitsabschläge für die neu zugelassenen Papiere festgelegt.

Geldschwemme seit der Krise?

Da Banken seit der Finanzkrise insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften zurückhaltender damit sind, sich gegenseitig Zentralbankgeld zu leihen, hat das Eurosystem die Liquiditätsbereitstellung ausgeweitet. Statt nur genau so viel Zentralbankgeld auszugeben, wie Prognosen entsprechend benötigt wird, wurde die sogenannte Vollzuteilung beschlossen. Danach erhalten Banken nun immer so viel Zentralbankgeld, wie sie anfragen, solange sie genügend Sicherheiten bereitstellen können.

Zusätzlich wurden Ankaufprogramme (bekannt als Quantitative Easing, oder QE) beschlossen, bei welchen die EZB direkt Wertpapiere aufkauft, die ebenfalls den Sicherheitenkriterien genügen müssen. Mit diesen Programmen schafft die EZB zusätzlich Zentralbankgeld, wodurch seid 2015 deutlich mehr Zentralbankgeld im Umlauf ist als jemals zuvor.

Aber während die Menge an Zentralbankgeld stark angestiegen ist, wächst die Menge des Gelds im Umlauf in der Wirtschaft langsamer als zuvor. Dies liegt daran, dass Geschäftsbanken, die durch Kredite Geld schaffen, mit dem man außerhalb des Banksystems zahlen kann, ihre Aktivität stärker zurückgefahren haben als das Eurosystem seine Bilanz ausgeweitet hat. So hat sich M3 von 1999 bis 2009 in etwa verdoppelt, ist seitdem aber nur um gut 20% gestiegen (Quelle: Statista).

So stellte die EZB schon 2011 fest, dass der sogenannte Money Multiplier Approach, also die Idee, dass mehr Zentralbankgeld zu mehr Geld im Umlauf in der Wirtschaft führt, „nicht besonders nützlich ist“.

Wer aufgrund der Maßnahmen des Eurosystems Inflationsgefahren vermutet, hat also nicht verstanden, dass die Zunahme an Zentralbankgeld nur teilweise die Abnahme an Giralgeld kompensiert. Seit der Finanzkrise erleben wir keine „Geldschwemme“, sondern eigentlich ein vom Privatsektor geführtes Trocknungsprogramm, das nur teilweise vom Eurosystem kompensiert wurde.

Notarzt Zentralbank

Eine besondere Art der Liquiditätsbereitstellung kann erfolgen, wenn eine Bank nicht genug Sicherheiten hat, die die eigentlichen Kriterien erfüllen. Dann kann die eigene nationale Zentralbank auf eigene Rechnung Notfallliquidität gegen andere Sicherheiten einreichen, muss dann aber noch höhere Abschläge und einen höheren Zins verlangen und muss im Zweifel für Verluste selbst haften. Das ist zum Beispiel in der Finanzkrise in Deutschland passiert, als die Bundesbank der Hypo-Real Estate Bank Notfallliquidität bereitstellte, oder auch über längere Zeit in Griechenland, als die griechischen Staatsanleihen die Ratinganforderungen nicht mehr erfüllten. Solche Notfallliquidität darf nur in Absprache mit dem EZB-Rat bereit gestellt werden, wobei dieser auch mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen kann, dass keine Notfallliquidität mehr bereitgestellt werden darf. Das war zum Beispiel der Fall, als Syriza die Wahlen in Griechenland gewann.

 

[1] Zur Frage, wie sich die Rolle von Geschäftsbanken und Zentralbanken beim Geldschöpfungsprozess unterscheidet, hat die Bundesbank im Jahr 2017 einen Artikel in ihrem Monatsbericht April veröffentlicht:

[2] Sicherheitsabschläge rangieren von 0.5% bis 20%. Quelle: Tabelle 7, Seite 51 im Gen Doc

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