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19. September 2021
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FAQs zu Staatsfinanzen und -Verschuldung

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Wieso ist die „schwarze Null“ nicht sinnvoll?

Die „schwarze Null“ ist eine ziemlich kurzsichtige Faustregel für solide Staatsfinanzen: Der Staat hält die „schwarze Null“ ein, wenn er am Ende des Jahres nicht mehr Geld ausgegeben als eingenommen hat. Das könnte er zum Beispiel erreichen, indem er, wenn die Einnahmen knapp werden, keine Schulen mehr baut oder Brücken saniert. Langfristig wäre das für die Staatsfinanzen sehr problematisch: Ohne Schulen gäbe es in der Zukunft keine gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die Steuern zahlen. Marode Brücken führen zu schlimmen Unfällen.

Die „schwarze Null“ ist deshalb vor allem ein politisches Symbol. Auch Fachleute, die Schulden kritisch sehen, unterstützen zumeist eher die Einhaltung der Schuldenbremse als der „schwarzen Null“.

Was ist der Unterschied zwischen Schuldenbremse und „schwarzer Null“?

Die „schwarze Null“ erfordert, dass in einem Jahr nicht mehr ausgegeben als eingenommen wird. Sie steht nicht im Gesetz. Sie einzuhalten ist eine rein politische Entscheidung. Die Schuldenbremse steht dagegen im Grundgesetz. Unter ihr darf sich der Staat ein bisschen verschulden. Wie viel genau, hängt davon ab, wie gut oder schlecht die Wirtschaft läuft. Läuft die Wirtschaft schlecht, darf der Staat sich etwas mehr verschulden, um die Wirtschaft zu stützen. Läuft die Wirtschaft gut, soll der Staat sparen, um Inflation zu verhindern. Damit die Schuldenbremse so funktioniert wie gedacht, ist es wichtig definieren zu können, wann die Wirtschaft gut oder schlecht läuft.

Ab welcher Höhe sind Staatsschulden gefährlich?

Die Europäischen Regeln für Staatsfinanzen (der Stabilitäts- und Wachstumspakt, auch Maastricht Regeln genannt) geben vor, dass die Schuldenquote 60% nicht überschreiten sollte. Die Schuldenquote vergleicht die ausstehenden Staatsschulden mit dem Bruttoinlandsprodukt. Die Begrenzung auf 60% beruht nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis; auf diesem Niveau befand sich die durchschnittliche Schuldenquote in Europa Anfang der Neunzigerjahre, als die europäischen Regeln festgelegt wurden. 2010 erschien ein viel beachtetes Papier von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, das bei Schuldenquoten von über 90% einen starken Rückgang des Wirtschaftswachstums zeigte. Später stellte sich jedoch heraus, dass das Ergebnis auf einem Rechenfehler basierte.

Es ist sehr schwer, eine bestimmte Schuldenquote als Grenze für nachhaltige Staatsfinanzen zu bestimmen. Denn wie belastend die Schulden für den Staatshaushalt sind, hängt von der Höhe der Zinsen ab. Die variiert sehr stark: 1992 zahlte der deutsche Staat über 7% Zinsen auf seine Anleihen. Heute verdient er mit der Aufnahme von Schulden Geld.

Und was ist, wenn die Zinsen steigen?

Selbst wenn die Zinsen steigen und Investoren 2% Rendite auf ihre Bundesanleihen bekämen (ein Wert der zuletzt 2010 erreicht wurde), wären die Auswirkungen auf den Staatshaushalt kaum merkbar. Das liegt daran, dass Staatsanleihen mit einem festen Zinssatz ausgegeben und durchschnittlich erst nach sieben Jahren zurückgezahlt werden. Es dauert sehr lang, bis sich höhere Zinsen in höhere Kosten für den Staat übersetzen. Das Problem sind nicht blitzartig explodierende Kosten, sondern wenn trotz dauerhaftem Anstieg der Zinsen über Jahre hinweg einem Zinsanstieg zugesehen wird, ohne zu überlegen, wie man damit umgeht.

Würde der Finanzmanager der Bundesregierung, die Finanzagentur, heute höhere Zinsen in der Zukunft für wahrscheinlich halten, könnte sie mehr Staatsanleihen ausgeben, die erst in 10, 15 oder sogar 30 Jahren zurückgezahlt werden müssen. Übrigens sind selbst diese zurzeit sehr gering oder sogar negativ verzinst.

Wem schuldet Deutschland eigentlich Geld?

Der Großteil der deutschen Staatsanleihen liegt im Ausland, sowohl bei Finanzinvestoren als auch bei Zentralbanken. Knapp ein Drittel der deutschen Staatsanleihen hält die Bundesbank im Auftrag der Europäischen Zentralbank. Unternehmer und Privatanleger in Deutschland halten so gut wie keine deutschen Staatsanleihen, auch da sie damit momentan Verluste machen würden: Staatsanleihen sind wie ein sicheres Sparbuch mit Negativzinsen.

Belasten wir mit Staatsschulden kommende Generationen?

Oft ist das Gegenteil der Fall. Ähnlich wie auch bei privaten Haushalten und Unternehmen investiert der Staat am besten dann, wenn ein Mehrwert in der Zukunft entsteht. Für einen Staat kommt allerdings noch hinzu, dass zukünftige Generationen von heutigen Investitionen mit profitieren. Die Staatsschulden von gestern stecken in den Schienen, Schulen und öffentlichen Gebäuden von heute. Das beste Beispiel dafür ist die Klimakrise: Da die Folgen besonders zukünftige Generationen betreffen werden, sollten sie auch an den Kosten beteiligt werden.
Hinzu kommt, dass Wirtschaftskrisen wie etwa die Covid-19-Pandemie permanenten Schaden hinterlassen können, weil Menschen arbeitslos werden oder Unternehmen in die Insolvenz gehen müssen. Schuldenfinanzierte Staatsausgaben sorgen in diesen Situationen für die nötige Sicherheit, um permanenten Schaden abzuwenden, der auch zukünftige Generationen betreffen würde.

Wer soll all diese Staatsschulden zurückzahlen?

Der deutsche Staat verdient heute mit seinen Schulden Geld. Daher gibt es für den Staat keinen guten Grund, die Schulden zurückzuzahlen. Bei niedrigen oder negativen Zinsen ist es außerdem für den Staat leicht aus den Schulden herauszuwachsen: Die Schulden werden jedes Jahr kleiner im Verhältnis zur Wirtschaft.

Auch diejenigen die Staatsanleihen besitzen, wollen meistens nicht, dass der Staat seine Schulden zurückbezahlt. Wenn er das tut, weil eine Staatsanleihe fällig geworden ist, kaufen die Investoren in der Regel eine neue. So wie die Zentralbank sich nicht bemüht Geldscheine wieder einzuziehen, gibt es auch für den Staat pauschal keinen Grund die Menge der ausstehenden Staatsanleihen zu reduzieren.

Allgemein spielen Staatsanleihen für Finanzmärkte eine wichtige Rolle, da sie sichere Investments darstellen. Momentan sieht man, was passiert, wenn diese sicheren Investments knapp werden: Die Preise anderer sicherer Wertanlagen wie Immobilien steigen stark an.

Was passiert mit dem ganzen Geld, mit dem die Zentralbank Anleihen kauft?

Wenn die Zentralbank Anleihen kauft, dann schreibt sie der Bank des Verkäufers Geld auf ihrem Konto bei der Zentralbank gut. Dieses Geld auf Konten der Zentralbank kann immer nur auf andere Konten der Zentralbank fließen. Ob Geschäftsbanken mehr oder weniger Geld auf diesen Konten haben, ist für die Kreditvergabe und die Inflationsentwicklung quasi irrelevant, da Banken sich eh immer günstig Geld von der Zentralbank leihen könnten, wenn sie es bräuchten. Die Zentralbank wiederum steuert die Inflation nicht über die Höhe der Guthaben der Banken bei ihr, sondern über die Höhe der Zinsen.

Erdrücken die Schulden nicht das Wirtschaftswachstum?

Im Gegenteil: Investitionen des Staates können zusätzliche private Investitionen bedingen und Wachstum schaffen. Investiert der Staat zum Beispiel in eine neue Hochschule, steigert das die Produktivität der Arbeitskräfte vor Ort und es wird für Unternehmen attraktiver sich dort anzusiedeln.

Außerdem befeuern zusätzliche Ausgaben des Staats die Wirtschaft: Denn die Ausgaben des Staats sind die Einnahmen seiner Auftragnehmer und deren Beschäftigten. Die geben das verdiente Geld zumindest zum Teilwieder aus und sorgen so für zusätzliche Nachfrage. Wenn Unternehmen mehr Nachfrage haben, haben sie mehr Anreiz zu investieren, sei es in eine neue Fabrik oder ein neues Produktionsverfahren, um mehr verkaufen zu können.

Wenn viele Unternehmen Personal aufstocken wollen, um der gestiegenen Nachfrage nachzukommen, werden irgendwann die Arbeitskräfte knapp (oder zumindest teurer). Dass weckt den Erfindergeist der Unternehmen: Wenn Firmen dauerhaft höhere Löhne zahlen müssen oder sich schwer tun Arbeitskräfte zu finden, investieren sie eher in Technologie und Fortschritt, um jede einzelne Arbeitskraft produktiver zu machen und schaffen so Wachstum.


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