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7. Juni 2023
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Vera Huwe

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Fachtexte

16 Gründe für schnelles Handeln – Kipppunkte und ihre Bedeutung für die Klimapolitik

Vera Huwe, Levi Henze, Janek Steitz

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Dieses Hintergrundpapier beschäftigt sich mit Kippelementen im Erdsystem, deren Mechanismen und den damit einhergehenden Risiken. Die klimawissenschaftliche Forschung zu Kippelementen hat kürzlich große Erkenntnisfortschritte erzielt, die weitreichende Implikationen für die Klimapolitik haben, von der breiten Öffentlichkeit aber weitgehend unbemerkt geblieben sind.
Angelehnt an eine im letzten Jahr erschienene Meta-Studie zeichnen wir den aktuellen Wissensstand über Kippelemente im Erdsystem nach, diskutieren Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen Risiken und leiten grundlegende Implikationen für die deutsche Klimapolitik ab. Im Erdsystem sind derzeit 16 biophysikalische Kippelemente identifiziert, die beim Überschreiten eines Schwellenwerts selbstständig in einen qualitativ anderen Zustand übergehen, was zu weitreichenden Auswirkungen auf das Erdsystem führt. Die jüngste Forschung zeigt, dass das Kippen mehrerer Kippelemente erstmals bei 1,5 °C wahrscheinlich wird – und damit deutlich früher als lange angenommen. Oberhalb der Grenze von 1,5 °C steigt das Risiko von Kipppunkten stark an. Aufgrund möglicher Wechselwirkungen zwischen Kippelementen könnte es außerdem zu Kippkaskaden kommen. Da die bisher angekündigten politischen Maßnahmen mit dem Pariser Klimaabkommen nicht konform sind, besteht das Risiko, kritische Schwellenwerte bald zu überschreiten. Um das Risiko von Kippdynamiken zu minimieren, sind deutliche Emissionsminderungen bereits in diesem Jahrzehnt notwendig.

Warum haben wir das Papier geschrieben?

Unsere Kernthemen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik werden sowohl von der Entwicklung der Klimakrise als auch den Transformationsbemühungen massiv beeinflusst – und tragen umgekehrt dazu bei, ob und wie die Transformation gelingen kann. Wir halten es deshalb für unerlässlich, die grundlegenden klimawissenschaftlichen Zusammenhänge zu verstehen und mit unseren Kernthemen in Verbindung zu bringen. Das folgende Papier stellt dahingehend einen ersten Schritt dar.

Dabei ging es uns nicht um die Empfehlung konkreter politischer Maßnahmen, denn diese leiten sich aus der diskutierten Forschung nicht direkt ab. Vielmehr möchten wir den Rahmen, den die Klimawissenschaft für Wirtschafts- und Fiskalpolitik in den nächsten Jahren setzt, beleuchten und damit beginnen, Implikationen für Wirtschafts- und Fiskalpolitik herauszuarbeiten. Denn wie wir aufzeigen, sind Klimarisiken nie reine biophysikalische Risiken, sondern wechselwirken mit Gesellschaften. Diese Verflechtungen gilt es zu verstehen, um die Transformation beschleunigen und gesellschaftlich gestalten zu können.

Was haben wir gelernt?

Bereits im Zielkorridor des Pariser Klimaschutzabkommens werden Kippdynamiken wahrscheinlich und trotz der aktuellen Fortschritte in der Klimaforschung sind diese nichtlinearen Reaktionen des Klimasystems kaum ausreichend verstanden. Kippdynamiken und die Möglichkeit gesellschaftlicher Wechselwirkungen müssen deshalb konsequent als Handlungsgrundlage der Klimapolitik verankert werden. Daras leiten sich für uns drei Prinzipien ab.

Um Emissionen bereits in dieser Dekade schnell zu senken, sollten erstens Maßnahmen künftig unter der Maßgabe der Effektivität ausgewählt werden. Zweitens sollten gesellschaftliche Vulnerabilitäten reduziert und Klimaanpassung ergänzend zu rascher Emissionsminderung gestärkt werden. Drittens sollte Deutschland internationale Klimaschutzkooperationen vorantreiben und Länder mit geringeren finanziellen Möglichkeiten unterstützen.

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