Fiskalpolitik für Souveränität statt europäischer IWF

Anfang November hat die Europäische Kommission „Orientierungen“ zur Reform der europäischen Fiskalregeln publiziert. Darin schlägt sie vor, in Zukunft länderspezifische Ausgabenpfade auf Grundlage von Schuldentragfähigkeitsanalysen vorzugeben. Das klingt erstmal nach einem Feinschmeckerthema. Aber aufgrund ihrer Relevanz gehört die Reform der Fiskalregeln eigentlich auf Seite Eins und ganz oben in den Newsfeed. Denn vom Fiskalrahmen hängt ab, ob Europa in Zukunft das Nötige für die Dekarbonisierung und Stärkung seiner Souveränität tun kann und die Einlösung des Versprechens von Wachstum und Konvergenz in der EU gelingt. Beides ist essenziell, wenn sich ein politisch stabiles Europa in der Welt behaupten möchte.

Suggestions for SGP Reform

In the paper, we very briefly sketch out the reform proposal put forward by the EU-Commission and make five suggestions on how this could be developed further. The annex contains two short papers covering (1) the EU methodology for computing debt sustainability and (2) expenditure rules in practice drawing on the Dutch experience.

A proposal for reforming the Stability and Growth Pact

There is consensus that the Stability and Growth Pact (SGP) needs to evolve. In this paper, we put forward reform ideas aimed at reducing debt levels, enabling sustainable growth and strengthening Europe’s sovereignty without a change in primary legislation. The current fiscal framework leads to a suboptimal trade-off between austerity and growth. Our proposals therefore focus on two ideas: first, putting more emphasis on the primary deficit in both the corrective and the preventive arm of the SGP; and second, simplifying and revising the preventive arm, in particular the estimation of potential output. These reforms would make the SGP more effective in reducing debt ratios, reduce the risk of contractionary austerity while allowing for growth, and contribute to economic convergence. A clearer focus of fiscal policy on primary deficits would also sharpen the distinction between fiscal and monetary policy, as monetary policy has no direct influence on the primary balance. Finally, we argue that substantive progress towards European sovereignty would require major reform. Given today’s understanding of monetary policy transmission mechanisms, mechanically limiting sovereign credit at an arbitrary debt-to-GDP ratio seems particularly problematic as it can no longer be justified with the aim of avoiding fiscal dominance.

Zur Weiterentwicklung der europäischen Fiskalregeln

Es ist Konsens, dass die europäischen Fiskalregeln einer Weiterentwicklung bedürfen. In diesem Papier formulieren wir Reformideen, die darauf abzielen, innerhalb des bestehenden primärrechtlichen Rahmens Schuldenstände zu senken, nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen und die Souveränität Europas zu stärken. Das gegenwärtige Regelwerk führt zu einem suboptimalen Trade-off zwischen Sparpolitik und Wachstum. Im Zentrum unserer Vorschläge stehen daher zwei Ideen: erstens die stärkere Berücksichtigung des Primärdefizits im korrektiven und im präventiven Arm; und zweitens eine Vereinfachung und Überarbeitung des präventiven Arms, insbesondere der Schätzung des Produktionspotenzials. Diese Weiterentwicklungen würden die Gefahr kontraktiver Austerität verringern und Wachstum sowie Schritte in Richtung wirtschaftlicher Konvergenz ermöglichen, ohne das Ziel der Schuldenreduktion aus den Augen zu verlieren. Ein klarerer Fokus der Fiskalpolitik auf die Primärdefizite würde außerdem die Abgrenzung zwischen Fiskal- und Geldpolitik wieder schärfen, da die Geldpolitik keinen direkten Einfluss auf den Primärsaldo hat. Zuletzt argumentieren wir, dass ernsthafte europäische Souveränitätsbestrebungen einer größeren Reform bedürften. Dies gilt insbesondere mit Blick auf eine mechanisch begrenzte Schuldenquote, die nicht mehr auf Basis der Vermeidung fiskalischer Dominanz rechtfertigbar ist.